Burnout: Ein psychosoziales Phänomen unserer Zeit
Burnout ist mehr als ein medizinischer Begriff. Es beschreibt einen Zustand tiefgreifender Erschöpfung, der sowohl den Körper als auch die Seele betrifft und das gesamte Leben eines Menschen durchdringt. Es ist ein schleichender Prozess, der über lange Zeit hinweg das innere Gleichgewicht stört und den Betroffenen das Gefühl gibt, auszulaugen und den Sinn im Leben zu verlieren.
Burnout: Ein individueller und sozialer Prozess
Im personzentrierten Ansatz verstehen wir Burnout nicht nur als eine Erkrankung, sondern als Ausdruck einer tiefen Krise des individuellen Selbst in der Beziehung zu seiner Umwelt. Die betroffene Person hat oft über längere Zeit versucht, den äußeren Erwartungen gerecht zu werden, dabei aber ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen übersehen oder ignoriert. Hier zeigt sich Burnout als eine Entfremdung vom eigenen Selbst, die mit einem tiefen Gefühl der inneren Leere und Überforderung einhergeht.
Burnout entsteht selten plötzlich. Es ist ein Prozess, der durch verschiedene äußere und innere Faktoren genährt wird: Arbeitsbelastungen, familiäre Anforderungen, soziale Isolation oder der ständige Druck, perfekt sein zu müssen. Diese Belastungen führen dazu, dass das eigene Empfinden von Autonomie und Selbstwert mehr und mehr schwindet.
Der Ursprung des Begriffs und seine Entwicklung
Der Begriff "Burnout" wurde in den 1970er Jahren von Herbert Freudenberger geprägt, doch seine Bedeutung hat sich seither stark gewandelt. Was einst als Erschöpfungszustand vor allem bei helfenden Berufen verstanden wurde, betrifft heute Menschen in nahezu allen Lebensbereichen. Beruf, Familie, soziale Verpflichtungen – die Anforderungen unserer modernen Gesellschaft fordern von vielen Menschen mehr, als sie auf Dauer zu geben imstande sind. Auch Arbeitslose, pflegende Angehörige oder Menschen in scheinbar stabilen sozialen Verhältnissen sind nicht vor einem Burnout gefeit.
Aus personzentrierter Sicht jedoch ist entscheidend, dass es nicht nur die äußeren Umstände sind, die zum Burnout führen, sondern vor allem die Art und Weise, wie der Einzelne diese Umstände erlebt und bewertet. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein, das Versagen von Bewältigungsstrategien und das mangelnde Bewusstsein für eigene Bedürfnisse verstärken die Krise. Die subjektive Wahrnehmung und Interpretation der Realität spielen eine zentrale Rolle, weshalb auch die individuelle Verarbeitung von Stressoren entscheidend für die Entwicklung eines Burnouts ist.
Die Dynamik des Burnouts: Drei Phasen der Entfremdung vom Selbst
In der therapeutischen Begleitung von Menschen mit Burnout zeigt sich oft ein wiederkehrendes Muster, das in drei Phasen gegliedert werden kann. Diese Phasen verdeutlichen den schrittweisen Verlust des Kontakts zur eigenen Person und die zunehmende Unfähigkeit, auf authentische Weise mit den Anforderungen des Lebens umzugehen.
1. Phase: Das Streben nach Anerkennung und Erfolg
In der ersten Phase steht das Streben nach Anerkennung, Perfektion und Erfüllung äußerer Erwartungen im Vordergrund. Menschen in dieser Phase geben oft alles, um den Anforderungen ihrer Umwelt gerecht zu werden. Sie nehmen sich selbst jedoch immer weniger wahr, hören nicht auf ihre inneren Signale und ignorieren erste Anzeichen von Überlastung. Das Streben nach Erfolg, sowohl beruflich als auch privat, überdeckt das wachsende Gefühl der inneren Erschöpfung.
In dieser Phase kann es leicht geschehen, dass Betroffene die Beziehung zu sich selbst vernachlässigen und den Kontakt zu ihren inneren Bedürfnissen verlieren. Das führt zu einer Diskrepanz zwischen den äußeren Erwartungen und den eigenen Gefühlen, die oft nur als Unzufriedenheit wahrgenommen wird.
2. Phase: Rückzug und Isolation
In der zweiten Phase beginnt der Rückzug. Die Energie, die zu Beginn noch mobilisiert werden konnte, lässt nach. Aktivitäten, die früher Freude bereitet haben, verlieren an Bedeutung, und es fällt zunehmend schwer, die eigene Motivation aufrechtzuerhalten. Das Gefühl, immer weniger Einfluss auf das eigene Leben zu haben, dominiert.
In dieser Phase neigen Menschen dazu, sich sowohl von ihrem beruflichen Umfeld als auch von nahestehenden Personen zurückzuziehen. Es entsteht eine zunehmende emotionale Distanz, und der Betroffene isoliert sich immer stärker. Die Einsamkeit und das Gefühl, von der Außenwelt nicht mehr verstanden zu werden, verstärken die innere Leere. Oft kommt es auch zu einer Entfremdung von sich selbst – die Person spürt nicht mehr, wer sie wirklich ist oder was ihr im Leben wichtig ist.
3. Phase: Erschöpfung und Resignation
Die letzte Phase ist geprägt von einer tiefen emotionalen und körperlichen Erschöpfung. Das Gefühl, nichts mehr geben zu können und den Sinn des eigenen Handelns verloren zu haben, wird dominant. Die einstigen Strategien, den Alltag zu bewältigen, greifen nicht mehr, und das Leben wird als Last empfunden.
In dieser Phase tritt oft ein Zustand der Resignation ein. Die Person empfindet ihre Situation als ausweglos, und auch äußere Hilfe wird oft nicht mehr wahrgenommen oder als nutzlos abgetan. Die Gefahr von Depressionen, Angstzuständen und anderen psychischen Erkrankungen nimmt zu. Substanzen wie Alkohol oder Medikamente werden nicht selten als letzte Mittel genutzt, um die innere Leere zu betäuben.
Burnout als Krisenmoment: Ein Potenzial zur Transformation
Obwohl Burnout als tiefgreifende Erschöpfungskrise empfunden wird, bietet es aus personzentrierter Sicht auch die Möglichkeit zu einer tiefen Selbstveränderung. Gerade in den Momenten größter Erschöpfung und Verzweiflung liegt die Chance, wieder Kontakt mit dem eigenen Selbst aufzunehmen und neue Wege des Umgangs mit den Anforderungen des Lebens zu finden.
Im therapeutischen Prozess geht es darum, dem Menschen Raum zu geben, sich seiner eigenen Bedürfnisse bewusst zu werden und neue, authentische Wege zu finden, mit seiner Umwelt in Beziehung zu treten. Der Fokus liegt dabei nicht allein auf der Bewältigung der äußeren Stressoren, sondern auf der Wiederherstellung der inneren Balance und der Verbindung zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen.
Prävention und Umgang mit Burnout
Die präventive Arbeit gegen Burnout besteht darin, das Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse zu schärfen und auf die inneren Signale zu achten, bevor eine Krise entsteht. Regelmäßige Reflexion, Selbstfürsorge und ein achtsamer Umgang mit den eigenen Grenzen sind wesentliche Elemente, um sich gegen einen Burnout zu schützen.
Im Rahmen einer psychotherapeutischen Begleitung kann der Betroffene lernen, seine innere Welt besser zu verstehen, seine Grenzen zu erkennen und eine gesunde Balance zwischen den äußeren Anforderungen und den inneren Bedürfnissen zu finden. Ein zentraler Aspekt ist dabei, das Gefühl der Selbstwirksamkeit wieder zu erlangen – die Überzeugung, das eigene Leben aktiv gestalten zu können.
Fazit
Burnout ist ein komplexes Phänomen, das eng mit der Beziehung des Menschen zu sich selbst und seiner Umwelt verknüpft ist. Es ist nicht nur das Resultat von äußeren Stressoren, sondern auch das Ergebnis einer inneren Entfremdung. Aus personzentrierter Sicht ist es entscheidend, dem Menschen zu helfen, wieder in Kontakt mit seinem inneren Selbst zu kommen, seine Bedürfnisse zu erkennen und eine authentische, sinnstiftende Lebensweise zu entwickeln. Nur so kann Burnout langfristig bewältigt und ein erfüllteres, selbstbestimmtes Leben geführt werden.
Literatur:
Thomas Bergner
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