Rogers’ Menschenbild und Grundprinzipien der Therapie
- Thomas Laggner
- 16. März
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Mai
Das Menschenbild: Vertrauen in das Wachstumspotenzial
Carl Rogers vertrat ein zutiefst humanistisches Menschenbild: Jeder Mensch trägt die Fähigkeit in sich, sich zu entwickeln, zu wachsen und ein stimmiges, authentisches Leben zu führen. Diese Selbstaktualisierungstendenz ist angeboren, kann jedoch durch widrige Bedingungen blockiert werden.
Statt Defizite zu beheben oder Diagnosen zu fokussieren, zielt die personzentrierte Therapie auf Selbstverwirklichung, Reifung und innere Stimmigkeit ab. Ein radikaler Perspektivwechsel damals – und bis heute aktuell.

Zentrale Therapieziele – und ihre Wirkung
a) Selbstexploration & Selbstakzeptanz
Klienten lernen, sich selbst besser zu verstehen und anzunehmen. Der Raum der bedingungslosen Annahme macht dies erst möglich. Studien zeigen, dass Selbstakzeptanz mit psychischem Wohlbefinden korreliert und eine Schlüsselressource für Resilienz darstellt.
b) Authentizität & Kongruenz
Widersprüche zwischen Selbstbild und Erleben können sich lösen. Menschen werden echt – sich selbst gegenüber und im Kontakt mit anderen. Authentizität bedeutet, die innere Wahrheit auszusprechen und zu leben – ein mutiger Schritt zu sich selbst.
c) Selbstwirksamkeit & Entscheidungsfähigkeit
Indem keine Ratschläge gegeben werden, wird die Eigenverantwortung gestärkt. Klienten lernen, sich selbst zu vertrauen. Sie erfahren: Ich bin in der Lage, mein Leben zu gestalten – nicht als Objekt, sondern als Subjekt meines Daseins.
d) Emotionale Bewusstheit & Regulierung
Gefühle dürfen sein, werden benannt und integriert. Das führt zu mehr innerer Klarheit und Stabilität. Im geschützten therapeutischen Raum werden selbst überwältigende Emotionen handhabbar.
e) Beziehungsfähigkeit & Empathie
Durch die Beziehungserfahrung im therapeutischen Raum können neue soziale Kompetenzen entstehen. Viele erleben erstmals, was es heißt, wirklich gesehen und verstanden zu werden – ein Schlüssel für künftige Beziehungen.
f) Integration widersprüchlicher Anteile
Alle inneren Stimmen dürfen Ausdruck finden – ein Schritt zu innerem Frieden. Der Mensch darf sich als Ganzes erleben – mit Licht- und Schattenseiten.
g) Autonomie & Freiheit
Ein Leben nach eigenen Maßstäben führen können – ein zentrales Ziel jeder heilenden Entwicklung. Der Klient lernt, eigene Werte zu erkennen und danach zu handeln.
h) Sinnfindung & Werteklärung
Ein verstärkter Zugang zu dem, was einem wirklich wichtig ist, wird möglich. Die therapeutische Beziehung schafft Raum für existentielle Fragen und neue Perspektiven.
Praxis: Wie personzentrierte Gespräche wirken
Aktives Zuhören
Wertschätzendes, präsentes Hören mit echtem Interesse – das allein wirkt bereits heilend. Es zeigt dem Gegenüber: „Du bist mir wichtig. Ich höre dir wirklich zu.“
Offene Fragen
Nicht lenkend, sondern einladend. Sie schaffen Raum für neue Einsichten und fördern Eigenverantwortung.
Paraphrasieren
Wichtiges wird gespiegelt – damit der Klient sich selbst besser versteht. Es schafft Klarheit und Selbstwirksamkeit.
Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte
Gefühle werden benannt – und dadurch bewusst gemacht und integrierbar. Emotionale Klarheit ist der Schlüssel zu innerer Integration.
Diese Methoden wirken nicht isoliert, sondern entfalten ihre Kraft im Zusammenspiel mit der Grundhaltung. Sie sind Ausdruck einer tiefen Wertschätzung und eines echten Dialogs.
Anwendungsfelder & Grenzen
Der personzentrierte Ansatz wirkt weit über die Psychotherapie hinaus: in Coaching, Beratung, Pädagogik, Supervision. Überall dort, wo Menschen sich entwickeln wollen, ohne bevormundet zu werden.
Gleichzeitig hat er auch Grenzen – etwa bei schwerwiegenden Störungen, wo mehr Struktur und Methodenvielfalt gefragt sind. Doch auch hier kann die Haltung hilfreich sein – als Basis jeder Beziehung.
Vergleich mit verwandten Ansätzen
Im Unterschied zu gestalt- oder existenztherapeutischen Methoden bleibt der personzentrierte Ansatz stiller, geduldiger – konfrontiert weniger, hört dafür tiefer. In modernen Therapieformen wie Emotion-Focused Therapy leben Rogers’ Prinzipien weiter – kombiniert mit aktivierenden Methoden.
Fazit
Die personzentrierte Therapie bietet eine zutiefst respektvolle, empirisch fundierte und lebensnahe Möglichkeit zur Entwicklung. Ihre Wirkung liegt nicht in Techniken, sondern in der Haltung.
„Die Fakten sind freundlich.“ – Carl Rogers
Ein Mensch, der sich selbst verstehen darf, wird sich selbst entfalten. Diese stille, aber kraftvolle Idee ist bis heute eine Einladung – an Therapeuten, Klienten und an die Gesellschaft.
Praxisadressen:
2442 Unterwaltersdorf, Wienerstrasse 17
2340 Mödling, Enzersdorferstrasse 5/1/5
www.thomaslaggner.at – 0699-12169080
Welche Haltung trägst du dir selbst gegenüber? Vielleicht ist jetzt der Moment, tiefer hinzuhören.

