Depression verstehen – und Wege aus der Dunkelheit finden
- Thomas Laggner
- vor 16 Stunden
- 5 Min. Lesezeit
Was Prof. Dr. Ulrich Hegerl über Ursachen, Behandlung und Hoffnung sagt – und warum professionelle Hilfe so wichtig ist.
Wenn das Leben seine Farbe verliert
Viele Menschen erleben Phasen der Traurigkeit, Antriebslosigkeit oder inneren Leere. Doch

wenn diese Zustände über Wochen anhalten, die Lebensfreude schwindet und selbst kleine Aufgaben unüberwindbar scheinen, steckt oft mehr dahinter: eine Depression.
Der Psychiater Prof. Dr. Ulrich Hegerl, einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet, beschreibt Depression als eine ernsthafte, biologisch verankerte Erkrankung des Gehirns, die nichts mit persönlichem Versagen oder mangelnder Willenskraft zu tun hat.
Er betont:
„Depression ist keine Reaktion auf Lebensprobleme, sondern eine Störung, die das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen tiefgreifend verändert.“
Damit unterscheidet sich Depression von einer „normalen“ Traurigkeit oder einer belastenden Lebensphase – sie übernimmt die Steuerung des Erlebens, unabhängig von äußeren Umständen.
Was im Gehirn geschieht: Das biologische Fundament der Depression
Hegerl erklärt, dass Depressionen mit Fehlregulationen im neurobiologischen Gleichgewicht zusammenhängen – insbesondere im Stoffwechsel von Botenstoffen wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin.Diese Neurotransmitter steuern zentrale Funktionen wie Motivation, Aufmerksamkeit, Schlaf, Appetit und emotionale Stabilität.
Das führt dazu, dass das gesamte Erleben wie „heruntergedimmt“ wird:
Freudeempfinden verschwindet, selbst positive Erlebnisse erreichen einen nicht mehr.
Gedanken verlangsamen sich oder kreisen zwanghaft um Schuld, Versagen oder Hoffnungslosigkeit.
Der Körper reagiert mit Erschöpfung, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Schmerzsymptomen.
Hegerl betont, dass Depressionen nicht einfach durch Gespräche oder „positives Denken“ heilbar sind. Sie erfordern oft eine medizinische und psychotherapeutische Behandlung, ähnlich wie andere körperliche Erkrankungen.
Missverständnisse und Vorurteile: „Reiß dich zusammen“ hilft nicht
Viele Betroffene stoßen in ihrem Umfeld auf Unverständnis.Sätze wie „Denk positiv!“, „Du musst dich nur ablenken“ oder „Anderen geht es doch auch schlecht“ verfehlen völlig, worum es bei Depressionen geht.
Hegerl bringt es klar auf den Punkt:
„Eine Depression ist keine Schwäche, sondern eine Krankheit. Niemand würde von einem Diabetiker verlangen, seinen Zuckerwert durch Willenskraft zu regulieren.“
Dieses Missverständnis ist gefährlich, weil es Betroffene zusätzlich beschämt und isoliert.Statt Verständnis zu finden, fühlen sie sich schuldig oder „defekt“ – was die Krankheit vertieft.
Typische Symptome – und wie sie sich zeigen
Die Diagnose Depression wird gestellt, wenn mehrere der folgenden Symptome über mindestens zwei Wochen bestehen:
Anhaltende gedrückte Stimmung oder Gefühllosigkeit
Verlust von Interesse und Freude an Aktivitäten, die früher bedeutungsvoll waren
Schlafstörungen, oft frühes Erwachen mit Grübeln
Verminderter Antrieb, schnelle Erschöpfbarkeit
Konzentrationsstörungen, Entscheidungsunfähigkeit
Selbstzweifel, Schuldgefühle, innere Leere
Körperliche Beschwerden ohne organische Ursache (z. B. Herzklopfen, Magenprobleme, Schmerzen)
Suizidgedanken
Viele erleben diese Symptome nicht alle gleichzeitig, und sie können unterschiedlich stark ausgeprägt sein.Wichtig ist: Eine Depression kann jede Person treffen, unabhängig von Stärke, Bildung, Beruf oder Lebenssituation.
Der Weg zur Diagnose: Warum frühes Handeln entscheidend ist
Oft vergehen Monate oder Jahre, bis Betroffene professionelle Hilfe suchen.Manche schämen sich, andere erkennen die Krankheit nicht – sie glauben, einfach „nicht mehr so belastbar“ zu sein.
Doch Hegerl warnt:
„Unbehandelte Depressionen können chronisch werden und sich mit jeder Episode verschlimmern.“
Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen.Der erste Schritt ist meist der Gang zum Hausarzt oder Facharzt für Psychiatrie, der eine Diagnose stellen und passende Behandlungen einleiten kann.
Therapie und Heilung: Medikamente, Psychotherapie und Lebensrhythmus
Hegerl betont, dass die beste Behandlung aus einer Kombination von Medikamenten und Psychotherapie besteht.
1. Antidepressiva – Hilfe zur neurobiologischen Selbstregulation
Antidepressiva wirken auf die Botenstoffe im Gehirn und helfen, das gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen.Sie machen nicht abhängig, verändern die Persönlichkeit nicht und haben bei richtiger Dosierung eine hohe Wirksamkeit.
Der Effekt tritt meist erst nach 2–3 Wochen ein – was Geduld und Vertrauen in den Prozess erfordert.Hegerl:
„Antidepressiva sind keine Glückspillen, sondern Medikamente, die ermöglichen, dass Heilung überhaupt stattfinden kann.“
2. Psychotherapie – Verstehen, Verarbeiten, Verändern
Therapeutische Gespräche helfen, depressive Muster zu erkennen, Selbstabwertung zu durchbrechen und neue emotionale Zugänge zu entwickeln.Besonders hilfreich sind:
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) – um negative Gedanken zu überprüfen
Personzentrierte Gesprächstherapie – um Selbstakzeptanz und emotionale Verbindung zu fördern
Achtsamkeitsbasierte Methoden – um den Kreislauf aus Grübeln und Stressreaktionen zu unterbrechen
Hegerl unterstreicht, dass Psychotherapie nicht die Ursache „beseitigt“, sondern den Menschen stärkt, mit sich und seiner Krankheit anders umzugehen.
3. Lebensrhythmus und Aktivierung
Ein regelmäßiger Tagesrhythmus, ausreichend Schlaf, Bewegung und soziale Kontakte stabilisieren das Nervensystem.Auch kleine Routinen – ein Spaziergang, Musik, Körperpflege – signalisieren dem Gehirn: „Ich bin aktiv, ich lebe.“
Suizidgedanken ernst nehmen
Ein besonders ernstes Thema spricht Hegerl mit großer Deutlichkeit an: Suizidgedanken sind ein Symptom der Erkrankung – kein rationaler Entschluss.Die betroffene Person sieht in der Depression keine Zukunft, weil ihr Gehirn keine Hoffnung mehr erzeugen kann.
Er rät Angehörigen:
„Fragen Sie direkt nach. Das Sprechen über Suizidgedanken weckt keine Ideen – es rettet Leben.“
Wer solche Gedanken hat, sollte sofort Hilfe suchen – bei Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen oder Notdiensten (z. B. Telefonseelsorge unter 142 in Österreich, 0800 111 0 111 in Deutschland).
Hoffnung und Rückfallprophylaxe
Hegerl betont:
„Die große Mehrheit der Betroffenen kann vollständig genesen – aber Depression ist eine Krankheit mit Rückfallrisiko.“
Das bedeutet: Wer eine Episode überstanden hat, sollte auf Warnsignale achten – Schlafprobleme, sozialer Rückzug, Grübelschleifen – und frühzeitig reagieren.Ein stabiles Lebensumfeld, Achtsamkeit, Selbstmitgefühl und regelmäßige therapeutische Begleitung können Rückfällen vorbeugen.
Warum Hilfe annehmen kein Zeichen von Schwäche ist
Für viele ist der schwierigste Schritt, Hilfe zuzulassen.Doch genau das ist der Beginn von Heilung:Sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen, statt sich zu verurteilen.
„Depression will dich glauben machen, du seist wertlos – aber sie lügt“,so könnte man Hegerls Haltung zusammenfassen.
Psychotherapie bedeutet, diesen Stimmen nicht mehr allein ausgeliefert zu sein – sondern gemeinsam Wege zu finden, wieder Licht ins Innere zu bringen.
FAQ – Häufige Fragen
1. Ist Depression heilbar?Ja. Viele Betroffene werden vollständig gesund. Entscheidend ist eine frühzeitige Diagnose und eine individuell abgestimmte Behandlung.
2. Macht Psychotherapie allein Sinn?In leichteren Fällen ja. Bei mittelgradigen oder schweren Depressionen empfiehlt sich die Kombination mit Medikamenten.
3. Kann ich Depression ohne Medikamente besiegen?Manche schaffen das, viele brauchen jedoch Unterstützung. Medikamente sind kein Zeichen von Schwäche, sondern Teil der Heilung.
4. Wie kann ich einem Angehörigen helfen?Durch Verständnis, Geduld und Ermutigung, Hilfe anzunehmen – nicht durch Druck oder Appelle.
5. Was tun bei Rückfällen?Frühzeitig den Arzt oder Therapeuten kontaktieren. Rückfälle sind kein Scheitern, sondern Teil eines Genesungsprozesses.
Zum Nachdenken
Depression ist eine Krankheit, die Menschen ihre Farbe nimmt – aber nicht ihren Wert.Vielleicht liegt in der Dunkelheit genau der Moment, in dem Heilung beginnen kann:wenn jemand den Mut fasst, nicht mehr allein zu kämpfen.
Kontakt & Begleitung
Wenn Sie sich in dieser Beschreibung wiederfinden oder jemanden kennen, der betroffen ist, nehmen Sie Kontakt auf:
Praxis für Psychotherapie & Coaching – Thomas Laggner
2442 Unterwaltersdorf, Wienerstraße 17
2340 Mödling, Enzersdorferstraße 5/1/5
📞 0699 121 69080

