Wege aus chronischer Wut
- Thomas Laggner
- vor 8 Minuten
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Vom Ausgebranntsein zur inneren Autorität – Wege aus chronischer Wut und systemischem Stillstand
Wut ist eine Kraft. Sie kann Mauern einreißen – oder uns selbst. Viele Führungskräfte erleben, dass diese Energie irgendwann kippt: Aus Entschlossenheit wird Erschöpfung, aus Klarheit Verbitterung. Wenn äußere Strukturen sich nicht verändern und die innere Spannung anhält, beginnt ein schleichender Prozess der Entfremdung. Doch genau hier liegt der Wendepunkt: Nicht in der Anpassung an das System, sondern in der Rückkehr zur eigenen inneren Autorität.

1. Selbstregulation als tägliche Praxis – der stille Aufbau innerer Stabilität
Emotionale Selbstregulation ist kein Zustand, sondern ein Training. Sie entsteht dort, wo Reiz und Reaktion wieder durch einen bewussten Atemzug getrennt werden. Führungskräfte, die über Monate in einem Zustand latenter Wut leben, brauchen keine neuen Theorien, sondern Routinen, die das Nervensystem neu verankern.
Drei bewährte Grundlagen:
Regelmäßige Entladung: Bewegung mit Präsenz – bewusstes Gehen, Schwimmen oder Yoga. Kein Wettbewerb, sondern Regulation.
Atmung als Reset: 4 Sekunden ein, 6 Sekunden aus. Morgens und abends. Eine kleine Geste, die den Tag strukturiert.
Berührung und Kontakt: Nähe, Umarmung, Berührung oder Selbstmassage aktivieren das soziale Nervensystem und senken Aggressionen – ein oft unterschätzter biologischer Hebel.
Selbstregulation ist kein Rückzug. Sie ist die Fähigkeit, sich selbst zu halten, wenn das Außen brennt.
2. Der systemische Blick – warum Wut oft ein Symptom der Organisation ist
Nicht jede Wut ist „persönlich“. Viele Führungskräfte tragen Spannungen, die eigentlich dem System gehören: unklare Rollen, Doppelbotschaften, unrealistische Ziele. Wenn die Struktur keine emotionale Sicherheit bietet, übernimmt der Körper die Alarmfunktion.
Typische systemische Auslöser:
Dauerhafte Zielkonflikte zwischen Abteilungen (z. B. Verkauf vs. Logistik)
Ungeklärte Verantwortlichkeiten oder Mikropolitik
Fehlende Feedbackkultur oder psychologische Sicherheit
Die Kunst besteht darin, zwischen eigener Verantwortung und struktureller Dysfunktion zu unterscheiden. Erst wenn klar ist, was wirklich „mein Thema“ ist – und was nicht –, kann Wut konstruktiv transformiert werden.
Manchmal ist die gesündeste Form der Kontrolle, nicht mehr alles kontrollieren zu wollen.
3. Die innere Dimension – vom Kämpfen zum Dasein
Chronische Wut ist oft ein Ausdruck einer tieferen Sehnsucht: gesehen, gehört und wirksam zu sein. Wenn äußere Veränderung nicht möglich ist, bleibt die innere Bewegung – die Umwandlung von Kontrolle in Bewusstsein.
Diese Phase fühlt sich zunächst paradox an. Statt „gegen“ die Umstände zu arbeiten, beginnt ein Prozess des Loslassens:
Loslassen der Vorstellung, alles müsse gerecht sein.
Loslassen der Hoffnung, dass das System sich ändert.
Loslassen der Selbstverurteilung für die eigene Erschöpfung.
Was dann entsteht, ist stille Autorität – eine Ruhe, die nicht aufgibt, sondern integriert. Hier beginnt das, was man spirituell Souveränität nennen kann: das Wissen, dass äußere Macht weniger zählt als innere Klarheit.
Wut wird zu Kraft, wenn sie den Weg nach innen findet.
4. Praxisorientierte Wege – vom Wissen ins Erleben
Damit Selbstregulation nicht Theorie bleibt, braucht sie Rituale. Diese verbinden Körper, Geist und Umfeld.
Vier Schritte zur emotionalen Wiederherstellung:
Morgendliche Erdung: Noch vor dem ersten Blick aufs Handy – drei bewusste Atemzüge, Blick in den Raum, Körper spüren.
Emotionstagebuch: Kurze Notiz nach Konflikten – „Was habe ich gefühlt? Was habe ich gebraucht?“
Micro-Pausen im Alltag: 3× täglich für 2 Minuten bewusst still werden. Forschung zeigt, dass diese Mikropausen das Stressniveau langfristig stärker senken als eine lange Meditation pro Woche.
Abendliche Reflexion: „Was heute war nicht in meiner Kontrolle – und darf es auch bleiben?“
Diese einfachen Rituale bauen über Wochen neuronale Stabilität auf. Sie sind kein Weglaufen von der Wut, sondern ihr würdevoller Ausdruck.
5. Sinn, Mitgefühl und innere Autorität
In der Tiefe der chronischen Wut liegt oft ein Ruf nach Sinn. Wenn Fühlen und Handeln auseinanderfallen, entsteht innerer Schmerz. Führung beginnt dort neu, wo wir uns trauen, auch diesen Schmerz zu hören.
Selbstmitgefühl ist hier kein weichgespültes Konzept, sondern eine reife Form von Selbstverantwortung. Es schafft Raum zwischen Reiz und Reaktion, zwischen Druck und Entscheidung. Daraus wächst innere Autorität – jene stille Gewissheit, dass ich nicht alles mitmachen muss, um wirksam zu bleiben.
Innere Autorität heißt: Ich bleibe ganz – auch wenn das System es nicht ist.
FAQ – Häufige Fragen
1. Wie lange dauert es, bis Wut sich beruhigt?Das hängt von der Dauer der Belastung ab. Erste Veränderungen zeigen sich oft nach 4–6 Wochen bewusster Selbstregulationspraxis.
2. Was tun, wenn die Wut trotz Übungen bleibt?Dann braucht es meist Unterstützung – Coaching oder Psychotherapie helfen, alte Bindungsmuster und Werteverletzungen zu erkennen.
3. Kann man Selbstregulation trainieren wie Muskeln?Ja. Studien zeigen, dass regelmäßige Achtsamkeits- und Atempraxis die Aktivität im präfrontalen Kortex stärkt – dem Zentrum bewusster Kontrolle.
4. Wie bleibe ich empathisch, wenn ich ständig im Konflikt bin?Empathie entsteht aus Abgrenzung, nicht aus Aufopferung. Nur wer sich selbst hält, kann andere halten.
Zum Nachdenken
Wo in deinem Leben kämpfst du noch – und wo könntest du einfach beginnen, wieder zu atmen?
Vielleicht ist der Weg zu innerer Autorität kein Kampf, sondern eine Heimkehr.
Kontakt & Begleitung
Praxis für Psychotherapie, Coaching & Supervision
Thomas Laggner – Personzentrierter Psychotherapeut, Lehrtrainer & Coach
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