Depression überwinden – Warum Frühhilfe wirkt und Scham heilt
- Thomas Laggner
- vor 12 Stunden
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Depression ist keine Schwäche. Sie ist eine Krankheit, die behandelt werden kann – und die Millionen Menschen betrifft. Doch wer mitten in ihr steckt, fühlt oft nichts als Schwere, Schuld und das lähmende Gefühl, versagt zu haben. Prof. Dr. Andreas Menke, Facharzt für Psychiatrie und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Würzburg, bringt es auf den Punkt:
„Depression ist eine ernsthafte Erkrankung – aber sie ist sehr gut behandelbar. Niemand muss sich dafür schämen, Hilfe anzunehmen.“
Dieser Satz ist mehr als eine medizinische Feststellung. Er ist ein Aufruf zum Leben.
Die Depression verstehen: Wenn das Gefühl verschwindet
Eine Depression ist mehr als Traurigkeit. Sie ist ein Zustand, in dem das Erleben verflacht, das Denken schwerfällt und der Körper auf Sparmodus geht.Viele Betroffene beschreiben es so: „Ich fühle nichts mehr – weder Freude noch Trauer.“Menke erklärt:
„Bei einer Depression sind die Botenstoffe im Gehirn aus dem Gleichgewicht geraten. Dadurch verändert sich, wie wir denken, fühlen und auf Stress reagieren.“

Das bedeutet:
Die Stresssysteme des Körpers sind überaktiv (HPA-Achse, Cortisol-Regulation).
Das Belohnungssystem funktioniert nicht mehr wie gewohnt – Dinge, die früher Freude bereiteten, wirken plötzlich leer.
Der präfrontale Kortex, also das Zentrum für Planung und Kontrolle, wird weniger aktiv – das Denken wird mühsam.
Prof. Ulrich Hegerl ergänzt:
„Depression ist keine Reaktion auf Lebensumstände allein, sondern eine Erkrankung des Gehirns, die eine gezielte Behandlung erfordert.“
Warum Scham so viele Menschen davon abhält, Hilfe zu suchen
Viele Menschen warten Monate oder Jahre, bevor sie professionelle Hilfe annehmen. Menke sieht darin eines der größten Probleme:
„Je früher eine Depression erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.“
Doch die Realität sieht oft anders aus. Menschen schämen sich, glauben, sie müssten „stärker sein“, oder denken, andere hätten „schlimmere Probleme“. Diese Schamspirale verstärkt die Isolation – und lässt die Krankheit tiefer greifen.
Dabei ist Depression nichts, was man „wegdenken“ kann. Sie ist ein biologisch-psychosoziales Zusammenspiel aus Genetik, Stress, Hormonen, Kindheitserfahrungen und aktuellen Belastungen. Und sie braucht – wie jede andere Erkrankung – Behandlung, Zuwendung und Geduld.
Was in der Therapie geschieht: Das Zusammenspiel von Psychotherapie und Medikamenten
Eine Depression hat viele Gesichter – und ebenso viele Wege der Behandlung.In der Regel besteht sie aus zwei Säulen: Psychotherapie und Pharmakotherapie.
Menke betont:
„Beides ergänzt sich. Medikamente können stabilisieren, Psychotherapie hilft, wieder Sinn und Selbstwirksamkeit zu finden.“
1. Psychotherapie: Beziehung als Heilfaktor
In der Psychotherapie geht es nicht nur um Methoden, sondern um Beziehung.Eine achtsame, akzeptierende Haltung hilft Betroffenen, sich selbst wieder zu spüren.Gemeinsam werden Muster erkannt:
Selbstkritische Gedanken
Überfordernde Lebensumstände
Unerfüllte Bedürfnisse
Verinnerlichte Glaubenssätze („Ich darf nicht schwach sein“)
Gerade hier zeigt sich: Selbstmitgefühl ist kein Luxus, sondern Therapie.Denn wo Scham sich löst, entsteht wieder Nähe – zu sich selbst und zu anderen.
2. Medikamente: Entlastung für das Gehirn
Antidepressiva sind keine „Glückspillen“.Sie setzen dort an, wo das Gleichgewicht der Botenstoffe (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin) gestört ist.Menke erklärt:
„Antidepressiva können den Gehirnstoffwechsel normalisieren – sie heilen nicht die Ursache, aber sie ermöglichen, dass Psychotherapie wirken kann.“
In vielen Fällen braucht es Zeit, Feinabstimmung und Geduld, bis das richtige Medikament und die passende Dosis gefunden sind.Doch die Forschung zeigt: Die Kombination aus Therapie und Medikamenten verdoppelt die Heilungschancen.
Frühhilfe wirkt: Warum schnelles Handeln Leben retten kann
In Deutschland vergehen im Schnitt über sechs Monate, bis Menschen mit einer Depression Hilfe suchen.Menke hält dagegen:
„Je früher die Behandlung beginnt, desto geringer ist das Rückfallrisiko.“
Frühhilfe heißt:
Symptome ernst nehmen
Mit Hausärzt:innen sprechen
Psychotherapeutische Erstgespräche nutzen
Angehörige einbeziehen
Akutstationäre oder teilstationäre Angebote nutzen, wenn nötig
Denn unbehandelte Depressionen sind nicht nur leidvoll – sie können lebensgefährlich werden.Frühe Hilfe ist keine Schwäche, sondern Selbstschutz.
Der Weg zurück: Kleine Schritte, große Wirkung
Heilung von Depression ist kein linearer Prozess.Sie verläuft in Wellen – mit Fortschritten und Rückschlägen.Doch jedes Aufstehen zählt.
Einige bewährte Selbsthilfeschritte:
Tagesstruktur aufbauen: Regelmäßige Zeiten für Schlaf, Bewegung, Mahlzeiten.
Soziale Kontakte halten: Auch wenn es schwerfällt – Nähe heilt.
Bewegung: Selbst 20 Minuten Gehen am Tag senken depressive Symptome messbar.
Achtsamkeit & Atemübungen: Sie helfen, wieder ins Hier und Jetzt zu kommen.
Verzicht auf Perfektionismus: Heilung geschieht in deinem Tempo.
„Depression kann man überwinden. Aber man muss sich erlauben, Hilfe anzunehmen“, sagt Menke.
Wissenschaftlich fundiert, menschlich verstanden
Die moderne Depressionsforschung – etwa durch Menke und Hegerl – zeigt, dass Biologie, Psyche und Umweltuntrennbar zusammenwirken.Doch Heilung geschieht nie durch Medikamente allein, sondern durch Beziehung, Sinn und Vertrauen.
Das zentrale Ziel jeder Therapie lautet:
„Den Menschen wieder in Kontakt mit sich selbst bringen.“
Diese Rückverbindung – das Wieder-Fühlen – ist der Wendepunkt.Wenn jemand nach Monaten erstmals wieder sagt: „Ich spüre etwas in mir“, dann beginnt Heilung.
FAQ – Häufige Fragen
1. Wie erkenne ich, ob ich depressiv bin?Wenn Antrieb, Freude, Interesse und Energie über Wochen deutlich nachlassen, kann es sich um eine Depression handeln. Auch Schlafstörungen, Schuldgefühle oder körperliche Beschwerden sind typisch.
2. Wie lange dauert eine Depression?Eine depressive Episode dauert im Durchschnitt 6–9 Monate, kann aber durch frühzeitige Therapie deutlich verkürzt werden.
3. Helfen Antidepressiva wirklich?Ja – Studien zeigen, dass rund 70 % der Betroffenen auf Medikamente ansprechen. Wichtig ist die Kombination mit Psychotherapie.
4. Was kann ich selbst tun?Bewegung, geregelter Alltag, Gespräche mit vertrauten Menschen und kleine erreichbare Ziele unterstützen die Heilung.
5. Wann sollte ich professionelle Hilfe suchen?Sobald du merkst, dass du allein nicht mehr weiterkommst – oder wenn Suizidgedanken auftreten. Dann sofort professionelle Hilfe holen (z. B. Notruf 112 oder Krisendienst).
Zum Nachdenken
Vielleicht ist Heilung nicht das Verschwinden der Dunkelheit –sondern das Wiedererwachen des Lichts inmitten der Nacht.
Wenn du gerade kämpfst: Sprich darüber.Scham löst sich, wenn wir uns zeigen.Und genau dort beginnt der Weg, die Depression zu überwinden.
Kontakt & Begleitung
Wenn Sie sich in dieser Beschreibung wiederfinden oder jemanden kennen, der betroffen ist, nehmen Sie Kontakt auf:
Praxis für Psychotherapie & Coaching – Thomas Laggner
2442 Unterwaltersdorf, Wienerstraße 17
2340 Mödling, Enzersdorferstraße 5/1/5
📞 0699 121 69080


