Wenn Stress nicht mehr aufhört – Wie Körper und Psyche miteinander sprechen
- Thomas Laggner
- vor 2 Tagen
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Es gibt Tage, an denen der Körper ständig auf „Alarm“ steht – obwohl gar nichts Bedrohliches passiert.Das Herz schlägt schneller, der Schlaf wird flacher, der Kopf läuft heiß.Viele Klient:innen sagen dann:„Ich weiß, dass eigentlich alles okay ist – aber mein Körper glaubt mir nicht.“
Was sie beschreiben, ist kein rein psychologisches Phänomen.Es ist eine biologische Realität: die CRH–ACTH–Cortisol-Achse, besser bekannt als HPA-Achse – das System, das unseren Körper auf Stress vorbereitet und ihn danach wieder beruhigt.Wenn diese Achse aus dem Gleichgewicht gerät, geraten wir in Daueranspannung – körperlich, seelisch und emotional.
1. Wie der Körper auf Stress reagiert
Sobald wir eine Bedrohung wahrnehmen – sei sie real (ein Unfall) oder symbolisch (Kritik, Konflikt, Zukunftsangst) – reagiert der Hypothalamus im Gehirn:Er schüttet CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) aus.Dieses aktiviert die Hypophyse, die wiederum ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) ins Blut abgibt.ACTH sorgt dafür, dass die Nebennierenrinde Cortisol produziert – unser zentrales „Stresshormon“.
Cortisol erhöht kurzfristig den Blutzucker, steigert die Aufmerksamkeit und hilft uns, in Gefahrensituationen klar zu reagieren.In gesunder Regulation steigt es kurz an – und sinkt nach etwa einer Stunde wieder.Dann schaltet das System von „Überleben“ zurück auf „Regeneration“.
2. Wenn der Körper nicht mehr zur Ruhe kommt
In einem gesunden Körper funktioniert die negative Rückkopplung:Sobald genug Cortisol im Blut ist, bremsen Hypophyse und Hypothalamus die Produktion.Doch bei chronischem Stress, Schlafmangel oder emotionalen Traumata bleibt dieser Rückkopplungsmechanismus hängen – die HPA-Achse bleibt eingeschaltet.
Das bedeutet: Der Körper verhält sich, als wäre dauernd Gefahr.Ein Zustand, der langfristig krank macht.
3. Folgen chronischer Aktivierung
Langfristig führt eine überaktive HPA-Achse zu einer Vielzahl körperlicher und psychischer Beschwerden:
Körperlich:
Bluthochdruck
Gewichtszunahme
Immunschwäche
Entzündungsneigung
Neuropsychologisch:
Schrumpfung des Hippocampus (Gedächtniszentrum)
Überaktivität der Amygdala (Angstzentrum)
Konzentrationsprobleme
Psychisch:
Gereiztheit
Erschöpfung
Depression
Angstzustände
Emotionale Taubheit
Man könnte sagen: Das System verliert seine feine Abstimmung –wie ein Rauchmelder, der bei jedem Dampf reagiert.
4. Was das für Psychotherapie bedeutet
Für die psychotherapeutische Arbeit ist die HPA-Achse kein Nebenthema, sondern biologisches Fundament.
Denn sie zeigt:Gefühle, Gedanken und Körperreaktionen sind ein einziger Kommunikationsprozess.
Trauma: führt zu Daueraktivierung – Überflutung durch Cortisol und Noradrenalin, Flashbacks, Dissoziation.
Depression: oft „Erschöpfung“ der Achse – zu wenig Cortisolantwort, Antriebslosigkeit, emotionale Leere.
Burnout: Langzeitüberstimulation – vegetative Erschöpfung, Schlafstörungen, Entzündungen.
Therapeutisch bedeutet das:Wir arbeiten nicht nur am Denken, sondern am gesamten Stressregulationssystem.Über Atem, Körperwahrnehmung, Beziehung, Mitgefühl, Pausen – und über Sinn.

5. Praktische Wege zur Beruhigung der HPA-Achse
1. Atmen lernen statt reagierenLangsames, rhythmisches Atmen aktiviert den Vagusnerv und senkt Cortisolspiegel messbar.➡️ Übung: 5 Sekunden einatmen – 5 Sekunden ausatmen, 5 Minuten täglich.
2. Körperwahrnehmung statt GrübelnAchtsamkeit auf Körperempfindungen lenkt die Aufmerksamkeit aus dem Bedrohungsnetzwerk (Amygdala) in die Gegenwart.
3. Resonanz und BeziehungSich sicher fühlen – gesehen, verstanden, gehalten – beruhigt die Achse oft stärker als jede Technik.
4. Schlaf und RhythmusRegelmäßige Schlafzeiten und Tagesstruktur helfen der biologischen Uhr, Cortisol morgens ansteigen und abends abfallen zu lassen.
5. Sinn und SelbstmitgefühlWer sein „Warum“ spürt und sich nicht selbst bekämpft, reguliert unbewusst seinen inneren Stresspegel.
6. Fazit: Stress ist Kommunikation
Die HPA-Achse zeigt, dass Stress kein Feind ist, sondern ein Signal.Ein Hinweis, dass Körper und Psyche etwas ins Gleichgewicht bringen wollen.
Psychische Sicherheit, Resonanz und Sinnorientierung sind keine weichen Faktoren – sondern biologische Heilfaktoren.Wenn Beziehung gelingt, sinkt Cortisol.Wenn wir verstanden werden, beginnt Regulation.
FAQ – Häufige Fragen
1. Wie kann ich merken, ob meine HPA-Achse überlastet ist?Typische Anzeichen sind chronische Müdigkeit, Schlafprobleme, Stimmungsschwankungen, Gereiztheit oder häufige Infekte.
2. Kann man die Cortisolwerte messen lassen?Ja, z. B. über Speicheltests zu verschiedenen Tageszeiten. Die Werte helfen, Stressmuster sichtbar zu machen.
3. Wie lange dauert es, bis sich die HPA-Achse wieder reguliert?Das ist individuell. Erste Besserungen zeigen sich meist nach 4–8 Wochen bewusster Entlastung, Schlafhygiene und Achtsamkeit.
4. Welche therapeutischen Ansätze helfen?Personzentrierte Psychotherapie, Achtsamkeits- und Körperarbeit, Compassion Focused Therapy (CFT) und traumasensible Atemübungen unterstützen die Regulation.
5. Was kann ich selbst tun, wenn ich mich dauernd gestresst fühle?Atmen, Pausen, Bewegung, Gespräche mit vertrauten Menschen – und bewusst freundlich mit sich selbst umgehen.
Zum Nachdenken
Vielleicht ist Stress nicht das, was uns zerstört –sondern das, was uns ruft, wieder mit uns selbst in Kontakt zu kommen.Der Körper ruft nicht „Fehler“, sondern „Verbindung“.
Kontakt & Begleitung
Wenn Sie spüren, dass Ihr Körper nicht mehr zur Ruhe kommt und Stress Ihr Leben bestimmt:Ein gemeinsames Gespräch kann helfen, die innere Balance wiederzufinden.
Praxis Thomas Laggner
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